...noch nicht ganz...

Ihre Kammer war klein, sie bot nur wenig mehr Platz als diejenige, in der sie aufgewacht war, nachdem Xzarrus ihr seinen Wunsch deutlich gemacht hatte. Sirana sollte im Tempel bleiben. Und Zreniax schickte sie hinaus. In den Zirkel hatte er sie aufnehmen können, aber damit war sie noch kein Mitglied der Tenebrae. Die neue Akolythin hatte ihn wohl etwas seltsam angesehen, aber es war wirklich so, dass sie davon ausgegangen war, als Mitglied des Zirkels auch in der Gilde zu sein. Falsch gedacht. Maresa als die Leiterin des Rates war diejenige, die über die Aufnahme neue Mitglieder zu entscheiden hatte. In seiner kühlen Art hatte Zreniax sie daher angewiesen, Maresa aufzusuchen. Die Chancen, sie auch anzutreffen, stünden in der 'Dunklen Laterne' am besten. Allerdings hatte Zreniax nicht erwähnt, ob diese auch von dem anberaumten Treffen wusste.

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'Die Dunkle Laterne' - auch wenn Sirana Yath bisher nur bei ihrer Ankunft wie durch einen Schleier wahrgenommen hatte, fand sie die Taverne überraschend schnell. Anscheinend gab es hier keine verwinkelten Gassen, wie in Palandur und so mancher anderer Stadt, die kurz nach der Möglichkeit, Bannkreise zu errichten, entstanden und seitdem gewuchert war. Oder auch nicht, manche Stadt war inzwischen wieder verkommen oder sogar zerstört. Auf jeden Fall war das Gebäude groß und überragte so manch anderes Haus in Yath. Es war also kaum zu verfehlen.

Sirana wusste nicht, worauf sie sich einließ, als sie die Tür öffnete und in den weitläufigen Raum trat. Sie konnte noch nicht viele Gäste sehen und so trat sie an den Ausschank, wofür sie aber erst einmal ein ganzen Stück laufen musste. Eine Frau, anscheinend die Wirtin steuerte zügig auf sie zu. Sirana wusste nicht, ob sie in ihrer grauen Robe ein gewohnter oder ein seltener Gästetyp war.

Maresa hatte es sich auf einem großen Sessel vor dem Wandkamin gemütlich gemacht. Schräg gegen die Rückenlehne gelehnt, hatte sie die Beine über die Armlehne gelegt und ließ die Füße baumeln. Zwischen den Händen kringelte der Rauch eines warmen Kaffees empor, und die Augen waren bloß halb geöffnet auf das knisternde Feuer gerichtet. In der Mitte des Raumes hatten sich heute zwei Musiker breit gemacht, die mit Fidel und Djembe eine gemütliche Atmosphäre schafften. Die Ratsherrin aber hörte die Melodien kaum, hing in einsamer Stille ihren Gedanken nach und ließ die Anstrengungen der vergangenen Nacht langsam abfallen.

Sina arbeitete noch nicht sehr lang in der Dunklen Laterne. Ihre Familie stammte aus einem der umliegenden Dörfer und besaß dort eine kleine Gaststätte, in der die Kinder aushalfen. Doch waren fünf Helfer mehr als genug für einen kleinen Schankraum und wenige Fremdenbetten, und so hatte sie als die älteste nach einer Stelle außerhalb Ausschau gehalten, mit deren Verdienst sie die ihren unterstützen konnte. Die ruppige Wirtin hatte sie vor wenigen Wochen erst angestellt, und ihr war sehr wohl bewusst, dass sie sich noch in der Probezeit befand. Daher war sie nur umso mehr darauf bedacht, alles richtig zu machen, und mit voreiligem Fleiß zu strahlen. Zu beweisen, dass sie dem gewachsen war. Es war kein leichtes, sich in die Gepflogenheiten der hier vorherrschenden Gilde einzuleben: Manche von ihnen hieß es gar hoheitlich zu behandeln, dann plötzlich sprach man wie Freunde miteinander. Die graue Robe jedoch wusste sie schnell einzuordnen, und ihr Herz machte einen Hüpfer. Gildenmitglieder waren die Gäste, denen besondere Achtsamkeit entgegen gebracht werden musste. Berta kannte keine Gnade, und es fiel auch mal ein Lohn aus, wenn man einen Fehler beging, und die graue Robe zeichnete die Schwarzhaarige als Angehörige des Zirkels aus, eine hohe Ehre. So steuerte Sina schnell auf die Eintretende zu, um sie mit einem demütigen Lächeln zu begrüßen. "Willkommen! Kann ich Euch etwas anbieten?"

Unwillkürlich missfiel ihr das Auftreten der jungen Frau, welche ihr entgegen kam. Sie duckte sich. Sirana revidierte ihre Meinung, das konnte nicht die Wirtin sein, denn als solche hätte sie die Autorität ausstrahlen müssen, die jemand benötigt, der mit Betrunkenen, raufenden Zwergen und Zechprellern umgehen muss. Demonstrativ schaute sie sich noch einmal im Raum um, sah die verschiedenen Einrichtungsgegenstände, den Aufgang im Hintergrund. In diesem Haus befanden sich anscheinend noch viele andere Räume. Vor einem Wandkamin stehen mehrere große Sessel. Im Schein des flackernden Feuers kann Sirana kaum mehr als verschwommene Umrisse erkennen, als die junge Frau auf ihre Frage nach der Ratsherrin dort hin weist.

Auf ihrem Weg zu der Sesselgruppe verschwindet die Musik immer mehr in einem Hintergrundrauschen. Der wohlbekannte Druck auf ihren Schädel macht sich bemerkbar. Was er wohl will... Sirana hatte sich vorgenommen, ihn so weit wie möglich zu ignorieren, war sich aber sehr wohl der Gefahr bewusst, dass er das nicht einfach so mit sich machen würde. Immer wieder hatte sie in den letzten Tagen die Frage umgetrieben, ob er ihre Gedanken kannte, ob er wusste, dass sie sich gegen ihn wehren würde. Und dass sie annahm, damit erstmal nicht sonderlich erfolgreich sein zu können.

Sirana sah nun die Ratsherrin Maresa. Sie war wohl nicht sehr groß. Durch das Licht des Feuers konnte man nur vermuten, dass ihr Haar ebenso weiß war wie ihre Haut. Quer lag sie auf dem Sessel und es war nicht sofort ersichtlich, ob sie die Ankommende bemerkt hatte. In Lederkleidung hätte sich Sirana jetzt wesentlich wohler gefühlt. Die Möglichkeiten, sich ebenso bequem hinzuflezen wurden durch die Robe maßgeblich beschränkt. Leichtfüß erklomm sie jenen Sessel, der zu Maresas Füßen stand und setze sich auf die Armlehne. Im Rücken das knisternde Feuer, konnte die Schwarzhaarige nun die Ratsherrin anblicken, ohne den Kopf zu ihr drehen zu müssen.

Eine Bewegung gesellte sich zu dem Schattenspiel des Feuers und lockte Resas Aufmerksamkeit zurück in diese Welt. Doch sie ließ sich Zeit, ihre entspannte Haltung aufzugeben, und hob erst nach einer Weile die Lider an, langsam, als erwache sie eben erst aus einem Traum. Sie sah die Robe eines Akolythen - doch als der Blick nach oben wanderte, begegnete er einem völlig fremden Gesicht. Nie gesehen, nie erträumt. Eine Frau, älter als sie selbst, mit einer Spannung in der Haltung, die sie schnell an eine Kämpferin denken ließ. Ihre Mundwinkel zuckten; Zreniax hatte seine Vorlieben. Die Farbe der Augen mochte ihr nicht erkenntlich werden, doch das rabenschwarze Haar, darunter ein geprägtes Gesicht mit den hübschen Eigenschaften eines gewöhnlichen Menschen fielen ihr sehr wohl auf. Im Kopf zählte sie Eins und Eins zusammen, während die verworrenen Fäden der Gedankenwelt sich nur bedächtig lösten. "Zre' hat ein neues Schäfchen und schickt es mir allein vorbei?"

Das Feuer knisterte in Siranas Rücken, während sie sich in der Dunklen Laterne umschaute. Ein großer Raum, in dem man leicht die Übersicht verlieren konnte. Sie winkte der jungen Frau, die sie begrüßt hatte, zu sich.

Schließlich wurde das flackernde Licht des Feuers doch noch von den Augen Maresas reflektiert. Verdammt hell erschienen sie Sirana, und mit ihnen nahm sie rasch das Außere der jungen Akolythin in sich auf.

Zre'...Zreniax...der Hohepriester. Sie lachte auf. Ja, er ist jetzt mein Meister. Aber deswegen noch lange nicht mein Hirte, der aussucht, wer mich begatten darf. Sie richtete sich auf und stütze die Ellenbogen auf die Knie, die rechte Hand in der Linken verborgen.

Wenn ich ihn richtig verstanden habe, ist seine Anwesenheit hierfür nicht erforderlich. Er wünscht sich Euer Einverständnis für meine Aufnahme in die [Tenebrae]. Das heißt nicht, dass hier irgendjemand irgendeinen anderen mögen muss.

Die Schankgehilfin kam zu ihrer Sesselgruppe. Ihr wünscht? Fest sah Sirana die Ratsleiterin an. Tatsächlich war es ihr ziemlich egal, was sie dachte. Zur Not musste Zreniax sich nochmal allein mit ihr auseinandersetzen, schließlich wollte er, dass sie blieb. Met. Und mein Name lautet Sirana Schattenmond, das solltet Ihr wohl für die Aufnahmeformalitäten wissen. Das erste Wort war an die Gehilfin gerichtet gewesen, der Rest, die erste schon wieder ignorierend, an Maresa.

Geflissentlich drehte sich das junge Ding um und blickte nun auch diese an. Eigentlich wäre jetzt fast ein guter Moment gewesen, um zu gehen. Aber der Met bot Sirana auch die Möglichkeit, die ihr gegenübersitzende Frau zu betrachten.

"Wieso mögen? Met - den aus Umbra, schwarz." Die Schankmaid entschwand, ohne einen Blick von der Ratsherrin erhascht zu haben. "Sirana, nie gehört... Was genau treibt dich hierher? Ich kann wohl 'von ausgehen, das du dich der Tenebrae nicht ohne Grund anschließen willst." Ihre Augen schienen der Frage eine unbeugsame Forderung nach der ehrlichen Wahrheit hinzuzufügen. Tatsächlich war ihr Interesse an dieser Frau nicht gering; irgendwie hatte sie ja auch Zreniax von sich überzeugt. Zudem aber trat sie gegenüber der, die über Beitritt oder Ausschluss das letzte Wort hatte, nicht gerade vorsichtig auf. Weder gab sie sich kriecherisch, noch sang sie viele Worte, zwei Züge, die Maresa an einem Menschen bloß verachtenswert finden konnte. Hier steckte hoffentlich mehr dahinter.

Die Mitglieder des Rates schienen wirklich die Angewohnheit zu haben, jeden zu duzen. Sirana schwieg und beobachtete die Schankmaid, welche mit dem Rücken zu ihr an der Theke stand und anscheinend mit jemandem sprach. Maresa ließ sie dabei aber nicht aus den Augen, auch wenn sie nicht jede Bewegung ihres Mienenspiels beobachten konnte. Diese Frau würde es tatsächlich fertig bringen, ihr die Aufnahme in die Gilde zu verweigern, wenn sie sich zu bockig zeigte. Und sie hatte keine sehr große Lust, Zreniax Unwillen auf sich zu ziehen, seine Warnungen waren eindeutig.

Geradeheraus blickte sie daher die andere Frau an. Schwarz und weiß. Es war nicht mein Wille, der mich hierher geführt hat und ehrlich gesagt hätte ich viel getan, um den Weg nach Yath d'Oloth nicht zu gehen. Sirana lachte leise auf und blickt gleich wieder ernst, als das junge Ding ihr den Metbecher brachte.

Und ich habe sogar damit gerechnet, dass sie mich nicht ohne Schmerzen aus dem Tempel lassen. Aber ich bin hier. Mir ist es wirklich egal, ob ich in der Tenebrae bin. Aber so wie es aussieht, ist es derzeit meine Bestimmung, den Dunklen Fünf im Tempel der Stadt Yath d'Oloth als Mitglied des Zirkels zu dienen. Die Mitgliedschaft in der Gilde ist nur eine Formalie, über die Ihr zu entscheiden habt, aber sie ist notwendig dafür, Akolythin des Tempels zu sein. Sie biss sich kurz auf die Unterlippe und trank einen kleinen Schluck. Rasch rutschte Sirana in den Sessel, schwang herum und stand auf. Sie ging zum Feuer und setzte sich auf einen kleinen Hocker, den sie sich heranzog. Wärme...wenigstens auf einer Seite. Maresa strahlte Kälte aus. Beide Hände lagen nun um den Becher, dessen Inhalt rasch auskühlen würde.

Ihr kennt den Grund, Ihr wisst, was mich hergetrieben hat. Die Worte, ohne Regung gesprochen, hingen in der Luft.

Sina reichte der Obersten des Rates ihren Met mit Bedacht, und bedankte sich kleinlich, als sie den noch halb vollen Kaffee dafür in die Hand gedrückt bekam. Sie verließ die kleine Runde ohne weiteren Kommentar, beinah etwas hektisch, als sei ihr die Anwesenheit der zwei Frauen unheimlich. Wo eben die warme Tasse geruht hatte, hielt Resa nun den Met auf gleiche Weise, ohne davon zu kosten. "Gewissermaßen macht der Tempel die Tenebrae in ihrem Wesen aus." Maresa sprach diese Worte, ohne sie weiter zu kommentieren oder ihre Bedeutung für die Schwarzhaarige genauer zu erklären. Sie würde sich den Rest denken können, und dafür ließ die Xzarrusanhängerin ihr einige Momente Zeit. Entspannt ließ sie den Kopf nach hinten sinken und betrachtete die Decke über sich, um nach innen zu sinnen. Tatsächlich glaubte sie, dass die Narben auf der Brust leicht zwickten. Kurz dachte sie an das letzte Mal im Tempel zurück. Ließ die Worte Siranas ihrerseits auf sich wirken. Von den Göttern und ihren Geistern gezwungen? Wahnsinn im Geiste - mehr ließen sie oft nicht zurück. Doch die Frau erschien ihr stark, sachlich gefasst. Die Tatsache, dass sie offen zeigte, wie wenig ihr eine Zugehörigkeit persönlich bedeutete, stimmte Resa vorsichtig, doch wann war ein Rohdiamant einmal nicht noch zu schleifen.

"Die Fünf formen verworrene Wege, wer von uns vermag schon vorauszusehen, was sie letztlich bezwecken?" Ihr Kinn senkte sich wieder. Schattenmond.. "Wie kommst du zu deinem Namen? Wo kommst du her?"

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Wieder schaute sie der Schankmaid hinterher und lauschte dabei Maresas Worten. Der Tempel macht die Tenebrae aus...wenn sie an die dunkle Aura der Stadt dachte, mochte das durchaus so sein. Es erschien nicht einmal so unwahrscheinlich. Es gab Städte, die sich über ihre Handwerker und den Handel definierten, in anderen wurde die Kriegskunst hochgehalten. Wieder andere waren kaum mehr als Außenposten in der Wildnis - so wie Tamjeh Imuria. Tempel, die den lichten Göttern oder allen Zehn geweiht waren. Nichts besonderes. Aber hier?

Nachdenklich betrachtete sie die vom Feuer beschienene Gestalt im Sessel. Den Kopf nach hinten gelegt, den Hals entblöst. Sie musste sich sicher hier fühlen und war es auch. Ob durch ihre eigene Stärke oder durch die anderer, war vorerst ungewiss und auch unwichtig. Ohne das hier würde sie nicht weiterkommen. Die Ratsherrin hob wieder ihren Kopf.

Die Vergangenheit ist soweit weg, seitdem ich Tamjeh Imuria verlassen habe. Und noch weiter weg ist alles, was davor gewesen ist. Meine Mutter sagte, die Schwingen schwarzer Vögel hätten den Mond verdeckt, als ich geboren wurde. Wahrscheinlich nur eine Geschichte. Sie wollte immer, dass ihre Tochter eine Elbe ist. Schlank und zart. Aber da hätte sie sich nicht mit einem Menschen einlassen sollen. Ein belustigtes, klares Lachen, doch nur kurz.

Die ersten Jahre lebte ich in einem kleinen Dorf. Danach befand ich mich lange Zeit auf Wanderschaft, zusammen mit meiner Mutter. Bis ich sie verließ. Und dann...landete ich irgendwann in Palandur. Sie zuckte mit den Schultern, als gäbe es nicht mehr zu sagen. Als wäre nichts passiert in den Monaten, nachdem sie ihre Mutter verlassen hatte und nichts, bevor sie der Gilde, der sie einst ihr Leben widmen wollte, den Rücken gekehrt hatte.

Wir hatten ein großes Ziel damals. Die erste Stadt mit einem eigenen Bannkreis. Fern der Hauptstadt, die von den Elascar vergiftet war. Weit weg in der Wildnis. Aber es passte nicht - nicht für mich jedenfalls.

Wieder ein kleiner Schluck Met. Die Ellenbogen stütze sie kurz über den Knien ab, ihr Körper war etwas vom Kamin abgewandt.

Resas Mundwinkel zuckten bei Siranas Kommentar über den Wunsch ihrer Mutter, doch die Augen blieben dabei kalt. Offenbar wollte ihr Gegenüber kein offenes Buch sein - auch gut, sie würde auskommen mit dem, was sie hatte. "Klingt für mich, als hätten sich deine Beweggründe seit Palandur stark geändert. Tamjeh Imuria hast du aus freien Stücken gewählt und wieder verlassen, hier lässt du dich treiben auf dem Weg, der dir weniger Schmerz bereitet. Ich frage mich, ob dich auch persönliche Gründe hier halten würden, säße dir nicht der Peiniger mit großer Macht im Geist."

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Nun war es an Sirana, ihre Augen zu verengen und die ihr gegenübersitzende Frau anzuschauen. Fest umklammerte sie dabei den Metbecher.

Vielleicht ist nur der Tod schmerzlos. Aber schmerzloser wäre es gewiss, den Weg zu wählen, den Ihr eben anspracht. Sie wusste sicherlich, was Schmerzen waren. Unauffällig musterte Sirana die Gestalt Maresas, konnte aber erwartungsgemäß nicht viel erkennen.

Nunja, wohin ich aus freien Stücken ging lasse ich mal dahin gestellt. Nur die wenigstens dürften sich rühmen können, von keinen äußeren Umständen irgendwie abhängig zu sein. Oder auch gar niemand. Ich sehe es jedenfalls nicht als Makel an, sich zu verändern und zu lernen. Es gibt jedenfalls nur einen Weg, Eure Frage zu beantwortet. Sirana lächelte nun bitter. Während sie den Blick wieder senkte, versuchte sie nachzudenken, aber wieder konnte sie nur Fetzen von klaren Vorstellungen, was hier geschah, erfassen. Fest stand jedenfalls, dass ihr 'Peiniger' sie nicht einfach so ziehen lassen würde. Viel Zeit könnte verrinnen. Zeit, in der sie sich verändern würde. Zeit, in der sie neue Erfahrungen machen würde und Zeit, in der sie eine neue Heimat finden musste. Hier oder sonstwo und auch wenn der Gedanke sie eben noch schockiert hatte, erschien er ihr nun, wo sie ihn zu denken versuchte, gar nicht mehr so abwegig.

Schmerzlos wäre es erstmal, mich SEINEM Willen zu fügen. Und vielleicht wäre ich dann frei. Aber ich glaube nicht daran. Ich würde mir meine eigenes Gefängnis bauen und Eure Frage fände nie eine Antwort, denn ich wäre nicht mehr ich. Sie wusste selber nicht, ob sie von Xzarrus oder von Zreniax sprach.

Die typische Art der Ratsherrin schlag gnadenlos zu: Kindisch, ungestüm, ohne Umschweife oder Rücksichtsnahme. Kurz: geradeheraus. "Kann es sein, dass du dich der Tenebrae nur anschließen willst, um wieder von uns los zu kommen? Die Gemeinschaft lockt dich nicht, deine Anwesenheit hier schreckt dich ab. Du gibst dich dem dir aufgezwungenen Willen hin - wie es für mich aussieht aber nur, um ihn wieder loszuwerden."

Sie gab der Schattenmond einige Momente, um das Gesagte durch die Windungen des Verstehens sickern zu lassen, und setzte dann mit einer Wiederholung nach. "Der Tempel macht die Tenebrae in ihrem Wesen aus. Schließt du dich an, als Dienerin und Angehörige des Zirkels, so wirst du zu dem, was du augenscheinlich nicht sein willst. Uns beiden scheint dein persönliches Wohlbefinden dabei schnurzegal zu sein - denn du handelst dem vollkommen zuwider. Am Ende steckst du tiefer drin als dir je lieb war. Du machst aus dir genau das, dem zu entfliehen du hiermit hoffst."

Ihre eigenen Worte schienen die Ratsherrin nachdenklich zu stimmen, doch galten ihre Überlegungen nicht ihr selbst. Die Schwarzhaarige blieb im Fokus. Bis zu diesem Punkt wusste sie nicht, ob ihre laut ausgesprochenen Interpretationen der absolute Fehlgriff waren. "Dich den Weg der Fünf zu lehren ist nicht meine Aufgabe. Doch Zre' wird hoffentlich so viel Hirnmasse aufbringen können, dabei den Weg deines eigenen Selbst nicht zu vergessen. Was bringst du uns schon, wenn du bei jeder Möglichkeit den Verrat wählst."

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Ihr Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, als sie Maresa zuhörte und sich selbst erkannte. Adbrax hatte sie impulsiv genannt, Zreniax musste auch den Eindruck gewonnen haben, als redete sie unbedacht und so, wie es ihr gerade in den Sinn kam. Genau jenes Gefühl bemächtigte sich ihrer nun.

Ihr wolltet die Wahrheit wissen. Da habt Ihr sie. Sie stand auf und lehnte sich im Schatten gegen die Steinwand des Kamins. Die Augen geschlossen, dachte sie über Maresas Worte nach. Sollte sie sich verleugnen, um in die Gilde aufgenommen zu werden? Wenn sie ihr Ziel nicht erreichte, stand ihr eine heftige Auseinandersetzung mit Zreniax bevor.

Ich will hier nicht sein und will nicht das tun, wozu ich gezwungen werde. Eine Alternative gibt es aber nicht für mich. Ich wurde nach Yath d'Oloth geleitet und ich weiß nicht, weswegen. Wenn ich vor Euch kriechen würde, wenn ich alles tun würde, um SEINEN Willen zu erfüllen, ohne Widerstand zu leisten - dann würde ich mich aufgeben. Es mag sein, dass ich letztendlich genau das bin und tue, was ich nie sein und tun wollte. Aber eins ist sicher: Ich weiß nicht, was in Zukunft geschehen wird. Vielleicht werde ich tatsächlich zu einer überzeugten Anhängerin der Dunklen Fünf. Vielleicht wird Zreniax mich aber auch schon in zwei Stunden zu einer willenlosen Dienerin seines Gottes machen.

Einen Augenblick schwieg sie und lehnte den Kopf gegen die harte Wand, den Metbecher an den Bauch gelehnt. Ich wurde zur Kriegerin und lebte lange Zeit im rauen Nordwesten des Landes. Ich wäre sicherlich nicht auserwählt worden, wäre ich nicht fähig und willens, Widerstand zu leisten, auch wenn damit gewisse Gefahren verbunden sind. Die letzten Worte verrieten einen gewissen Stolz. Den gleichen, den ihr der Hohepriester austreiben will. Aber wäre sie ohne ihn hier?

Resa nickte. Sie hatte eine sehr offensichtliche Vorliebe für Krieger, und von allen Rassen bevorzugte sie die Menschen, und die Schattenmond verkörperte beides. Doch der Glaube fehlte. Diese Frau achtete die Götter nicht, sie war sich lediglich ihrer Anwesenheit bewusst. Immerhin ein Umstand, der nicht mehr auf jeden Bewohner Endurias' zutraf. Doch war sie nicht vielleicht im Kern eine Feindin ihrer Sache? Keine guten Voraussetzungen, in einer Gilde aufgenommen zu werden. Und doch suchte und fand die Tenebrae ihre Mitglieder von jeher in allen Gefilden dieser Welt, und die Schattenmond schien immerhin eine Art vorgefertigter Grundlage zu besitzen. Die Weißhaarige grinste innerlich bei dieser Formulierung.

Hinzu kam, dass Zreniax die Frau allein zu ihr geschickt hatte. Er schien ein Gespräch darüber nicht führen zu wollen, ob es Sinn machte, ihr für eine Aufnahme ausreichend zu vertrauen. Vermutlich sollte sie sich ein eigenes Bild machen, oder er trieb seine Spielchen mit ihr aus dem Tempel heraus. Letzteres würde er nicht wagen, allein, um die Strukturen der Gilde nicht zu schwächen.

"Wollen wir hoffen, dass du diesen Weg findest", griff sie ihren Kommentar zu den Dunklen Fünf auf. "Aber der Gilde beizutreten erfordert mehr als eine eventuelle Aussicht auf spätere Gleichgesinnung. Wenn du dich anschließen willst, musst du deinen Platz in der Tenebrae anerkennen. Du beginnst ohne Titel. Ohne Vorgeschichte. Du behauptest dich, wie jeder von uns sich zu behaupten hat - und das bedeutet, dass du kriechst, wenn es von dem richtigen verlangt wird. Widerstand und Stärke weiß ich zu schätzen, aber du wirst klug genug sein müssen, sie in den falschen Momenten nicht hervor kommen zu lassen."

Ihre Augen strahlten Kälte aus, eine Distanz, die sie zwischen sich und der Anwärterin schuf.

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Natürlich, sie hatte es nicht anders erwartet, vor allem nach dem Widerstand, mit dem sie allem und allen hier begegnete. Gehorsam. Fürs erste war es wohl egal, welchen Platz man ihr in der Gilde zuwies. Von daher lächelte sie, ob der Formulierung Maresas, dass sie sich der Tenebrae anschließenn wolle. Dass es nicht ihr Wille war, hatte sie ausreichend verdeutlicht. Sirana drückte sich leicht von der Wand ab.

Ganz bei Null. Wenn das Euer Wunsch ist, werde ich ihm folgen und meine mir zugewiesenen Aufgaben erledigen, sobald ich mich der Gemeinschaft angeschlossen habe. War der Stimmungswandel jetzt nicht zu plötzlich? Die scheinbare Aufgabe allen Widerstands? Sie ahnte, dass sie mit dieser jungen Frau noch die eine oder andere Auseinandersetzung haben würde, aber was sie nun tat, war einfach nötig.

Gibt es sonst noch etwas, was mein Verweilen in dieser Taverne erfordert? Schnippich oder nur direkt? Wahrscheinlich war während dieses Besuchs eine Menge Zeit vergangen.

"Gut."

Die Hand hob den Becher an die Lippen und Resa leerte das Getränk in einem einzigen, langen Zug. Einen Moment genoss sie das Gefühl des Alkohols, der mit dem schwarzen Met etwas stärker zuschlug, dann schwang sie die Beine über die Armlehne, auf der sie den leeren Becher im Anschluss abstellte, und erhob sich. Auffordernd blickte sie Sirana an. Man mochte meinen, sie habe hiermit erreicht, was sie wollte, doch sie war nicht bereit, locker zu lassen.

"Welche Waffe führst du im Kampf?"

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Ihr Körper spannte sich unwillkürlich, als sich Maresa aus dem Sessel schwang. Alles in einem fließenden Bewegungsablauf. Dennoch blieb die Akolythin still stehen, sogar noch, als die Ratsherrin ihre Frage gestellt hatte. Eigentlich hatte Sirana gehofft, ihre Aufgabe hier wäre erledigt. Kurz überschlug sie ihre Möglichkeiten, ehe sie zu einer Antwort ansetzte.

Ich kann mehrere Waffen im Kampf nutzen. Derzeit trainiere ich den Umgang mit Keulen. Stangenwaffen jeder Art sind mir allerdings am vertrautesten.

Es war tatsächlich so. Stangenwaffen boten ihr bisher die vielfältigsten Möglichkeiten im Kampf und Sirana hatte sie immer gegenüber der Axt bevorzugt.

Wieder ein Nicken. Auch sie hatte mit den Stangenwaffen begonnen, wenn man es so sehen wollte. "Wie ich Zre' kenne, lässt er dir trotzdem die Zeit, um auch diese Fähigkeiten weiter zu schleifen. Wir sollten dieses Training einmal zusammen absolvieren.. Möglichst bald." Der letzte Satz war mit etwas Nachdruck gesprochen. Ein kurzer Blick zur Theke, Berta war nicht da. "Jetzt musst du vermutlich zurück in den Tempel. Dein neues Zuhause, Akolyth."

Ein Rekrut für die Götter. Die Tenebrae hatte ein neues Mitglied.

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Ahnte die weißhaarige Frau, wie recht sie damit hatte? Zreniax forderte geradezu, dass sie kämpfte. Für ihn stand dabei allerdings der Tod eines Wesens im Vordergrund. Sirana nickte schweigend und schaute abwesend in ihren Becher. Kalt.

Ihr wisst, wo ich bin. Wenn Ihr einen Boten schickt, werde ich da sein. Solange mich nicht andere Pflichten davon abhalten. Als Sirana an der Ratsherrin vorbei ging, senkte sie kurz den Kopf. Es war kein absichtsvolles Zeichen der Ehrerbietung, sondern ehe eines der Höflichkeit. Ohne sich noch einmal umzublicken, ging sie zur Theke, wo sie den halbvollen Becher abstellte und den langen Weg zum Ausgang antrat. Draußen schien es schon relativ dunkel zu sein.