Der Auftrag

Ohne groß um Höflichkeit bemüht zu sein trat Aaron an das Tor. Dumpf hallten seine Schläge, als seine Fäuste auf die hölzerne Pforte krachten.

"Macht endlich auf, Ihr wisst wohl nicht wer hier vor Euch steht!"
Aaron war genervt, die Reise war lang und beschwerlich gewesen, zumal er eine halbe Karawane anführen musste, die sein gesamtes Hab und Gut mitführte.

"Nein, das wissen wir tatsächlich nicht du Wurm. Wer bist du, dass du hier mit deinen Waren ankommst? Händler?" Der Wächter gluckste. Nicht oft war die Nachtschicht von solch merkwürdigen Besuchern wie diesem hier geprägt.

"Mein Name ist Aaron Akdehmir. Macht auf. Ich bin zurück."

"Aaron Ademikir? Nie von gehö- was sagst du?" Er wandte sich an seinen Kumpanen, der neben ihm gedöst hatte - bis jetzt. Er stand auf, um sich den Besucher anzusehen.
"Aaron?! Aaron! Du bist es wirklich! Jetzt mach schon das Tor auf, und dann sieh, ob du Resa finden kannst."

"Haldarius! Bist du es? Es kommt mir vor, als wären Jahre vergangen.."

"Es waren doch nur einige Monate.. Aber du hast Recht. Komm mit mir. Ich würde dich ja auf einen Krug Bier einladen, aber du säufst ja doch lieber deinen bescheuerten Wein.
Erzähl mir, wie ist es gelaufen?"

"Aaron?" Hammer und Meißel fanden ihren Platz auf dem Tisch neben der Skulptur, an der Resa gerade saß. Eine schwarze Schlange, die sich über grauen Stein wand - derzeit bestand der Korpus des Tiers allerdings zur Hälfte noch aus dem Rohmaterial. Der staubige Kittel wurde ebenso abgeworfen und landete über dem Gebilde. Es war schon sehr lange her, dass sie dem Betrüger von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatte; in der Zeit seit der Auflösung - oder Umgestaltung - des Nachtfeuers war ihr Kontakt stets auf anderem Wege gemeistert worden. Ein genörgeltes "Und wieso am Tor und nicht in der Laterne?" war das letzte, was die anderen Bildhauer hier von ihr hörten, bevor sie mit dem Wachmann davon trottete.

Voll großer Erwartungen ging sie dem Eingang Yaths entgegen. Welche Geschichte mochte der Kerl zu erzählen haben? Was würde er an Beute eingesackt haben? Kaum etwas war bisher zu ihnen gelangt, vielleicht, weil er vorsichtig hatte sein müssen, oder aber er hatte nichts erbeuten können. Doch solch ein Rückschlag dem größten Betrüger des Landes? Schon kam die große Mauer in Sichtweite. Zumindest hatte er's überlebt.. Und er war zurück gekommen.

"Maresa!" Aaron winkte seiner ehemaligen Gildenleiterin zu.
Sie lief noch in Richtung des Tores, doch ungeduldig, wie er war, hat er sich bereits von Haldarius die Taverne zeigen lassen. Er wieß seinen treuen Boten an, seine kostbaren Waren an einen sicheren Ort zu bringen.
Er überlegte kurz, ob er warten sollte bis Maresa zu ihm gelaufen war, er entschied sich aber, sofort in die Taverne zu gehen..
Das Schild "Dunkle Laterne" wiegte sich leicht im lauen Wind, der durch die Straßen zog, und Aaron war sofort begeistert.

Er öffnete die Tür und sofort starrten ihn mehrere Augenpaare an. Aaron musterte kurz die Gesichter, als er plötzlich ein ihm sehr bekanntes sah - Berta!
"Berta du verdammte hässliche Eselin einer Köchin!" - "Aaron Akdehmir! Du widerlicher Drecksack von einem Betrüger! Mach, dass du hier verschwindest du Wurm!"
Sie grinsten sich an, ihre Hassliebe zueinander war einfach... erfrischend.
Er setzte sich an die Theke zu Berta, die gerade mit einem derart dreckigen Feudel über den Tisch wischte, dass er fast dreckiger wurde als zuvor.
"Welche von der Krätze befallenen Frau muss ich hier eigentlich ansprechen um bedient zu werden?" - "Ach Aaron. Was hättste denn gerne du Mistkerl?" - "Zwei Krüge von dem Gesöff, dass du Bier nennst. Ist das noch diesselbe Plörre wie in Umbra? Dann geh ich mich schon vorher übergeben." - "Ach gleich zwei? Du Trunkenbold willst mir wohl wieder alle Gäste vertreiben.."
All die Strapazen der Reise, all die Beschwerlichkeiten der Heimatlosigkeit waren vergessen - hier fühlte er sich wohl.
Die zwei Bier landeten dann auch vor ihm und Aaron zwinkerte Berta zu. Sie antwortete, indem sie ihn mit dem Lappen bewarf, der zielsicher in seinem Gesicht landete. Er zog ihn sich vom Gesicht, sah wie Berta ihn angrinste und sah dann ungeduldig zur Tür.

..die sich eben öffnete. Wutschnaubend trat Resa sie hinter sich zu und suchte die Schenke ab nach dem Kerl. Da, an der Theke. Natürlich. Wer hatte sich diese dämliche Konstruktion ausgedacht, nach der man erst den gesamten Raum durchqueren musste, um an den Tresen zu gelangen?

"Aaron, du faules Stück, wolltest wohl davon rennen!" Berta und die Ordensherrin schlugen die Arme ineinander, dann erst drehte Maresa sich zu dem alten Gildenkumpanen um und boxte ihm kräftig gegen die Schulter. "Wo warst du so lang? Ich dachte schon, die Oger hätten dich gefressen."

"Aua! Ich bin nicht faul, sondern intelligent. Jetzt habe ich nämlich bereits das Bier hier stehen, setz dich zu mir.. Zum Wohl!"

Er hob kurz seinen Krug an, nahm aber nur einen kleinen Schluck, bevor er sich Maresa ganz zuwandte.

"Aber jetzt mal im Ernst. Diese biestigen Oger wollten mich wirklich fressen, hätte ich sie nicht davon abgehalten.
Wie dem auch sei... Ich stehe nun hier vor dir und sage dir: Ich bin zurück. Und ich hatte Erfolg. Riesigen Erfolg. Wie riesig, das können wir uns gerne nachher, oder lieber doch morgen ansehen.. Ich bin müde und erschöpft. Wenn du aber darauf bestehst, alles jetzt gleich zu sehen, meinetwegen.. Aber dann wird dir ein grandios vorbereiteter Vortrag über das Betrügen entgehen.. Willst du das wirklich?" Er musste grinsen. "Ich bin im letzten halben Jahr sehr viel herumgekommen in Endurias, habe viele Leute kennengelernt, von denen sogar einige Glaubensbrüder dabeiwaren, aber dennoch fühlte ich mich nirgends wohl. Nun bin ich zurückgekehrt, und auch wenn ich diese Stadt kaum kenne, fühle ich.. dass diese Stadt dasselbe Wesen besitzt wie Umbra. Wie soll es auch anders sein."
Aaron nahm einen weiteren Schluck aus seinem Krug und benetzte seine Lippen mit dem kühlen Bier.
"Maresa, ich habe mir eine Menge Feinde gemacht in der letzten Zeit.. Es ist zwar nicht so, dass ich es nicht gewohnt war, Feinde zu haben, die mir aus Goldgier nach dem Leben trachten, aber diesmal ist es anders.. Sie fühlen sich verraten... und dieser Hass ist weit schlimmer als alle Gefühle, die ich bei meinen bisherigen 'Kunden' erweckt habe. Und ich muss sagen, es war einfach wunderschön. Ich habe es geliebt, doch nun ist es vorbei. Ich habe es dermaßen ausgereizt, dass ich auf dem Rückweg von mehr als drei Gruppen gleichzeitig verfolgt worden bin. Die Oger waren nichts dagegen.."
Er leerte den Rest des Kruges auf einen Schlag aus, musste dann aber husten.
"Berta, gib mir was, womit ich den widerlichen Geschmack hiervon runterspülen kann!"
"Was hat sich hier getan, Resa? Ich habe euren Umzug zwar verfolgt, jedoch konnte ich das nur indirekt tun, war ich doch inmitten unter Feinden.. Wo sind unsere Freunde?"

"Glaubensbrüder?" Sie horchte auf. "Ich hoffe doch, du hast sie wenigstens her geschickt, elender Nichtsnutz." Sie prostete ihm zu und nahm entgegen seines Beispiels einige sehr tiefe Schlucke, während er den Mund einfach nicht halten konnte. Als er endlich eine Frage stellte, antwortete sie mit der Schnelligkeit eines Bolzens, um ihm das Maul für weitere Ausschweife zu stopfen. "Du kommst zur falschen Zeit. In vielleicht einer Stunde 'rum müssten die and'ren eintreffen, dann wird was in den Magen gepumpt, bevor's zur Jagd geht. Du solltest dabei sein. - Berta, Brot! Käse! Hunger! - Übrigens hat's Thograsch mittlerweile auch her geschafft. Hat sich wieder der Zunft angeschlossen, müsste grad in den Minen beschäftigt sein. Arithon leitet das Ganze jetzt, du wirst dich an ihn wenden müssen." Noch ein, zwei Schlucke, schon war der Krug bis auf einen kläglichen Rest leer. Resa bedachte den Anblick mit einem unzufriedenen Knurren. "Zeig's mir lieber gleich jetzt."

"Dann kommt mit. Haldarius meinte, er wüsste einen Ort, wo er die Sachen lagern könne. In weiser Voraussicht habe ich ihm gesagt, er solle draußen auf uns warten."

Arithon leitete also nun die Zunft.. Aaron hatte damit gerechnet, hielt er diesen doch auch für den - nach ihm natürlich - Fähigsten für diese Arbeit. Aber er selbst war nach der langen Abwesenheit auch nicht länger für die Leitung geeignet. Natürlich hatte er den Ruhm und die Ehre genossen, dennoch fehlte ihm damals die Zeit für sein Handwerk. Es würde ihn Überwindung kosten, hinter Arithon zu stehen, aber es musste wohl sein.
...
"Haldarius, danke. Ich denke wir kommen nun zurecht. Resa... Schau's dir an."
Aaron grinste sie an.
"Wir haben hier feinste Tücher aus den härtesten Fäden Endurias, von mir selbst gefertigt, dann die härtesten Metalle, die es hier zu schmelzen gibt, bestes Mithril. Dann habe ich hier noch wunderschön verzierte Mamorplatten..."
Er kramte einige Kleinigkeiten zur Seite, die hochwertigen Waffen klirrten, als er einige weitere Kostbarkeiten aus dem Berg an Waren herauszog.
"Ein Obsidian-Schwert. Geweiht zwar den lichten Göttern, doch mit Blut der Paladine umgetauft auf Kordan.. Es hat mir gute Dienste erwiesen..
Oh, hier sind noch Eibenhölzer, die habe ich aus.. ich weiß es schon gar nicht mehr. Da müssten eigentlich auch noch mehr von da sein, als nur dieser Bund.. Wo führt denn die Tür davorne hin? Ich mach sie mal eben. aaaaanggg-auf. Ja, da ist der Rest..."
Die Tür, die er geöffnet hatte führte in einen weitaus größeren Lagerraum, wo sich Unmengen an Hölzern, Metallen und Schwertern aus Aarons eigener Schmiede stapelten.. Er war selbst ein wenig beeindruckt, als er sein gesammeltes Diebesgut auf einen Schlag sah.
Er wandte sich wieder Resa zu. "Und?"

Resa kaute auf dem Brot herum, das Berta ihr mitgegeben hatte, und stopfte immer fleißig von dem Käse nach, um ja nicht auf die Idee zu kommen, den alten Gildenbruder zu unterbrechen. Ihre Augen bestaunten dabei das Diebesgut. Einen großen Teil davon hatten sie tatsächlich aus eigener Kasse gezahlt, niemand sollte behaupten, sie währen keine gerechten Handelspartner. Doch den Preis, den hatten sie selbst gewählt... Die Xzarrusanhängerin musste bei der Vorstellung grinsen.

"Aaron.. Ich wusste ja, ich schick' den richtigen los, aber du hast dich selbst übertroffen. Warte, bis die and'ren das seh'n. Die meisten kennen dich ja nur vom Höhrensagen, aber das hier wird sie von dir überzeugen. Komm, wir gehen zu Thraldin.. Der alte Runzelpeter wird sich freuen, wenn er die Arbeit vor sich sieht. Ist für's Lageraufräumen zuständig. Als ob er mit der Rotte nich genug zu tun hätte.."